Das komplette Bike

Wenn ich nur 1 Velo haben dürfte, es wäre ein Gravelbike mit dicken Pneus.

Klar, es ist nicht so schnell wie ein schlankes Rennvelo und nicht so krass wie ein Mountainbike. Aber es bietet eine unglaubliche Einsatzbreite. Gerade für die Schweiz. Einfach losfahren und sich nicht darum kümmern, ob die Asphaltstrasse in einen Kiesweg oder gar Naturtrail mündet. Das Motto: Weiterfahren!

Im Kies daheim: Gravelbike «Magma» aka BlackBeauty (in Zürich an der Sihl).

Welches Gravelbike? Egal! Es kommt auf die Komponenten an. Je dicker die Pneus, desto besser die Federung und desto weniger Durchschläge auf ruppigem Terrain dank mehr Volumen. Ich fahre momentan 38c – breiter ist auch gut.

Ebenfalls wichtig: Eine Schaltung mit genügend leichten Gängen. Ich habe die GRX (zweifach) montiert – und kam bis jetzt nur vor Rigi Kulm steilheitsmässig an den Anschlag.

Einziges Problem: Im heutigen wegen Corona ausgetrockneten Gravelmarkt können grosse Marken kaum oder nur nach langer Wartezeit liefern. Mein Modell «Magma» stammt darum von Kollega Rico von der Zürcher Velofabrik im Seefeld. Dank seinen guten Connections nach China kann er Mobilität nach wie vor garantieren. Buy local.

Tipp: Wer einmal eine zünftige Graveltour unternehmen will, folgt dem Veloweg 94 von Zürich über Bern nach Fleurier im Val-de-Travers. Entlang von Sihl, Emme, Aare und L’Areuse. Die 260 Kilometer sind auch an einem Tag gut machbar. Obwohl, es ist ein langer Tag. Ich habe das Ding am 12. September ’20 gemacht und fuhr dann via Veloweg 5 wieder zurück. Wurde noch ein wenig länger.

Zürich–Fleurier retour (458 km).

Der Bikerschreck vom Höhronen – oder die Begegnung mit einem liebestollen Auerhahn

Wildtiere sind scheu, meint man. Dieser Auerhahn weiss von dieser Regel leider nichts. Bericht über ein ungewöhnliches Treffen im Wald.

Erst raschelts im Unterholz. Dann flattert mir irgendetwas Grosses nach. Krähe! Denke ich erst und trete in die Pedale. Schnell weg.

Doch das Viech ist schneller. Und grösser. Und es gluckst komisch, als es hinter mir landet. Ein Auerhahn!

Ich bin viel in der Natur und habe in der Region Zürich schon viele Wildtiere gesehen: Füchse, Dachse, Hasen, Rehe – und am Uetliberg sogar mal ein Gämsli.

Nun also ein Auerhahn am Höhronen (1229 m), einem Hügelzug zwischen Sihltal und dem Hochmoor bei Biberbrugg SZ. Und was für ein Prachtexemplar das Tier ist! Schwarzer Kopf, rote Augenbrauen, grüne Brust und braune Flügel mit dem markanten weissen Punkt. Die Schwanzfedern wie ein Pfau zum Rad geschlagen. Dazu kommen ein massiver gelber Schnabel und markante Krallen. Greift er jetzt an? Ein mulmiges Gefühl habe ich schon. Aber die Neugier ist grösser. Ich nähere mich filmend mit dem Handy. Der grösste Hühnervogel Europas stolziert vor mir auf und ab. Zeigt keine Scheu.

Eine seltene Begegnung

«Was Sie erlebt haben, ist aussergewöhnlich», sagt Martin Ziegler, Amtsleiter Wald im Kanton Zug. «Eigentlich zeigen sich die störungsempfindlichen Tiere dem Menschen nicht. Ich habe noch keinen Auerhahn gesehen.» Schweizweit liegt die Zahl der Tiere unter Tausend.

Dabei ist Ziegler dafür verantwortlich, dass sich der Bestand des Auerwilds im Gebiet in jüngster Zeit wieder erholt hat. «Die Waldpflege wurde gezielt auf die Lebensraum-Ansprüche des Auerhuhns ausgerichtet, das reich strukturierte Wälder braucht», erklärt Ziegler. Jahrzehntelang war das Auerhuhn vom Höhronen verschwunden. Schuld war die moderne Entwicklung. Der Mensch heizte mit Öl statt Holz und verwendete zum Häuserbau Stein und Beton. Folglich nahm der Baumbestand nicht nur zu, der Wald wurde auch dichter und dunkler. «Während viele zu recht um die Biodiversität fürchten, ist es erfreulich, wenn das Auerhuhn im Kanton Zug einen Gegentrend setzt», sagt Ziegler.

Okay, das ist die Erklärung, warum es den Auerhahn dort im Wald gibt. Aber wieso ist «mein» Vogel forsch statt scheu und stolzierte minutenlang um mich herum?

Hier weiss Pierre Mollet von der Vogelwarte Sempach weiter: «Der Hahn hat wohl eine hormonelle Störung», erklärt der Vogelexperte. In der Literatur wurde das Verhalten der «balztollen Hähne» bzw. der «herbstlichen Scheinbalz» schon Anfang des 19. Jahrhunderts beschrieben. Die Hähne zeigen dabei nicht nur ein aggressives Verhalten gegenüber Menschen, sondern auch gegenüber Objekten wie Autos.

Hielt mich der Hahn für ein Huhn?

Hielt mich der Auerhahn etwa für ein Huhn? Ich weiss es nicht. Aber aggressiv schien er mir nicht. Eher neugierig. Sowohl Mollet wie auch befreundete Velofahrer erzählten mir, dass sie schon früher Geschichten von Angriffen auf Mountainbiker gehört hätten.

So ein grosser Vogel war schon bitz unheimlich ;-)

Nach einigen Minuten mit dem Auerhahn näherte sich mir übrigens auf dem Höhronen plötzlich ein Biker aus der Gegenrichtung. Auch er hielt an. Bestaunte das Tier. Und fuhr dann weiter. Und wie um die Legende zu bestätigen, flatterte der Auerhahn auch diesem Biker nach.

PS: Fotografiert mit dem iPhone11 Pro.

Dieser Text erschien erstmals am 8. Dezember 2019 im SonntagsBlick-Magazin.


#Brussels2CH 600+ km

Als ich mit 8 verwegenen Pedaleuren von Brüssel in die Schweiz fuhr… nonstop.

Es wird immer länger. Zürich-Klausen (200 km). Zürich-Susten (250 km). Längster Tag (333 km). Tortour Sprint (370 km). Und jetzt eben von Brüssel heim (600+ km).

Schuld ist ja Thomas Ratschob. Der fuhr schon von Paris und Prag heim. Dieses Jahr war Belgiens Hauptstadt der Ausgangspunkt.

Gegen das Projekt sprach eigentlich nichts. Wir hatten das Velo. Ratschob tüftelte die Strecke aus. Und den One-way-Flug ZRH-BRU gabs dank Swiss-Schnäppchenpreis für 97 Franken.

Freitag, 1. Juni 2018, flogen wir hin: Frites, Gaufres, Biére.

Samstag, 2. Juni: Start auf dem «Grote Markt», 9 Uhr. Dann über Strässchen und Pavé und viel rauf und runter an die französische Grenze. Noch mehr rauf runter. Entlang der Maas. Rauf Runter. Znacht in Saint-Mihiel (Carbonara). Nachtfahrt rg. Vogesen.

Sonntag, 3. Juni: Mystische Morgenstimmung. Schon um 3 Uhr dämmerte es. Noch mehr rauf und runter. Entlang der Mosel. Über den Col de Bussang ins Elsass. Hitze. Seit dem Manneken Pis der erste Brunnen (sic!). In der Ferne: Basel. Dann im dichteren Verkehr rg. Zürich.

Weil mein Handy aufgegeben hat hier das Strava-File von Ratschob. Ich schaffte es nicht ganz nach Siebnen. Irgendwas über 600 Kilometer dürftens bei mir gewesen sein.

Fazit: Die Distanz war überraschenderweise weniger das Problem als das (mir) ein bisschen zu hohe Durchschnittstempo – und die Müdigkeit mangels Schlaf. Dank an Mischa für die Arschcreme! Und ja, wir hatten extremes Wetterglück!

PS: Unter dem Hashtag #Brussel2CH gibts auf Insta noch ein paar Bilder mehr.